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Ānāpāna-sati-bhāvana

Entfaltung der Achtsamkeit auf die Ein- und Ausatmung

Eine Einführung von
Mātara Sri Ñāṇarāma Mahāthero

Foto von Mātara Sri Ñāṇarāma Mahāthero

Foto: Sri Mātara Ñāṇarāma Mahāthero 1995 in Nissarana Vaṇaya, Mitirigala 1985

Aus der englischen Ausgabe von M. Wettimuny ins Deutsche übersetzt von Dhamma Muninda Bhikkhu, Berlin-Vihāra, Oktober 2017.

 
 
Der vorliegende Text darf ohne weitere Erlaubnis kopiert und vervielfältigt werden, wenn die Verteilung kostenlos bzw. auf Spendenbasis erfolgt. Ansonsten wenden Sie Sich bitte an:

Das Buddhistische Haus, Edelhofdamm 54, 13465 Berlin

 

 

Vorwort

Es war mein Glück, mit dem verehrten Autor fünf Jahre lang eng verbunden zu sein, als Schüler und als dāyaka

(fürsorglicher Unterstützer). Der Autor ist bekannt für seine Meisterschaft in samatha und vipassana-bhāvanā (Ruhe und Einsichts-Meditation). Die Tiefe seines Wissens inspirierte mich, diese Übersetzungsarbeit für die Leser der englischen Sprache zu unternehmen. Der Autor hat in seiner Einleitung mitgeteilt, dass dieses Büchlein für das Wohl des Anfängers in Meditation gedacht sei. Diese bescheidene Aussage ist typisch für den Ehrw. Ñānarāma Mahāthero. Die hier vermittelten Anweisungen sind aber in Wirklichkeit auch für den erfahrenen Meditierenden von großem Wert. Mit Metta


Mithira Wettimuny,

Colombo, am 19. Juli 1990

 

 

 

Einführung

Es gibt Meditierende, die die Praxis der Atembetrachtung aufgenommen haben ohne ihre Grundprinzipien zu verstehen, weshalb ihre Praxis kompliziert wurde und sie in Schwierigkeiten gerieten. Es wurde uns deshalb bei vielen Gelegenheiten die Notwendigkeit bewusst, diese grundlegenden Prinzipien auf eine Weise bekannt zu machen, die für einen Anfänger in Meditation angemessen ist. Um diesem Bedürfnis entgegenzukommen, wird dieses Büchlein geschrieben.

Im Sinne der Lehre (sāsana),
Mātara Sri Ñāṇarāma Thera


     Mitirigala Nissarana Vaṇaya, am 10. September 1989 (buddhistische Zeitrechnung: Jahr 2533)

 

Ehre dem Erhabenen, Heiligen, Vollkommen Erwachten

Ānāpāna-sati-bhāvanā, die Entfaltung der Achtsamkeit auf die Ein-und Ausatmung

Das Wort ānāpāna ist eine Zusammensetzung aus āna und apāna. Āna beudeutet Einatmung, apāna bedeutet Ausatmung. Die Anwendung der Achtsamkeit auf die Ein- und Ausatmung wird als ānāpāna-sati-bhāvanā bezeichnet.

 
Was es zu erlangen und was es loszuwerden gilt

Als erstes wollen wir die Vorteile dieser Meditation betrachten. Für einen Anfänger in der Meditation ist ānāpāna sati in mehrfacher Hinsicht nützlich. In körperlicher Hinsicht ist sie besonders wohltuend für das Nervensystem. Wird die Atembetrachtung richtig ausgeführt, stellt sich eine graduelle Stabilisierung und Beruhigung des Nervensystems ein. Entsprechend wird der Meditierende Beruhigung und Leichtigkeit in seinem gesamten Körper sowie in seinem Geist empfinden. Indem seine Meditation fortschreitet, wird er schrittweise dieser Leichtigkeit gewahr werden.

Wenn der Anfänger diese anfänglichen Vorteile erlebt, regt sich in ihm der Wunsch, seine Meditationspraxis zu beschleunigen. Er sucht dann nach Abkürzungswegen und raschen Methoden mit dem kurzsichtigen Ziel, jene körperliche und geistige Leichtigkeit schnell zu erreichen. Auf seiner hastigen Suche läuft er jedoch Gefahr, die Einfachheit seiner Meditationsübung zu untergraben. Er muss sich über diese Falle frühzeitig im Klaren sein, um sie zu meiden.

Etwas besonders Wichtiges soll an dieser Stelle gesagt sein. Wie sehr dem Anfänger dieses Wohlbefinden genehm sein mag, er sollte nicht über eine gewisse Zeitspanne hinaus sitzen bleiben. (Um genauer zu sein, ein Anfänger sollte im Sitzen nicht öfter als drei mal täglich meditieren und jeweils nie länger als anderthalb Stunden.) Des Weiteren sollte zwischen den Sitzeinheiten ein beachtlicher Zeitabstand liegen, falls jemand sich einen Zeitplan erstellt. Die Zeit zwischen den Sitzeinheiten sollte für alltägliche Routine-Arbeit genutzt werden. Diese Aktivität sollte den Geist nicht verwirren, in Aufregung versetzen, oder anderswie der Meditationspraxis abkömmlich sein. Obschon die Körperaktivität für jemanden, der die Atembetrachtung praktizieren will, zu einem gewissen Grad notwendig ist, sollte sie sich in Maßen halten. Starke körperliche Anspannung muss vermieden werden.

Wenn wir diese Anweisungen nicht beachten, wird unsere Meditations-Übung fad und geschmacklos werden. Führen wir unser Unterfangen auf diese Weise aus, ist es unvermeidbar, dass wir recht bald unvorhergesehenen Schwierigkeiten und Komplikationen begegnen werden. In den Worten des Buddha: "Ich behaupte, Mönche, dass jemand mit einem zerfahrenen Geist und ohne Klarsicht keine Konzentration bei der Atembetrachtung zustande bringt." (Nāhaṃ bhikkhave, muṭṭhassatissa asampajānassa ānāpānasatisamādhibhāvanaṃ vadāmi.) SN 54,16.

Wie gesagt, diese grundlegenden Dinge müssen beachtet werden. Folgendes Zitat aus der Lehre des Buddha ist für unsere Aufgabe von Bedeutung: "Er setzt sich hin mit gekreuzten Beinen und aufrechtem Oberkörper und verankert die Achtsamkeit vor sich." (Nisīdati, pallaṅkaṃ ābhujitvā, ujuṃ kāyaṃ paṇidhāya, parimukhaṃ satiṃ upaṭṭhapetvā). Dieser Satz, der die Sitzweise und Körperhaltung bei der Meditation beschreibt, ist eine Anweisung, die jedes Mal erwähnt wird, wo das Thema der Atembetrachtung in den Lehrreden vorkommt.

Dementsprechend sollte der Meditierende zur Kenntnis nehmen, dass es sich bei ānāpāna sati im Wesentlichen um eine Sitzmeditation handelt. Deshalb soll er die Atembetrachung im Sitzen und mit aufrechtem Körper beginnen und fortsetzen.

Ein anderer Faktor, der an dieser Stelle wichtig ist, ist die Beobachtung des Atemvorgangs in seiner Natürlichkeit. Weil das viele nicht wissen, beginnen sie nach dem Hinsetzen rascher zu Atmen, in der Erwartung, den Atem dadurch deutlicher wahrzunehmen zu können. Auf diese Weise wird ihr Atemvorgang unnatürlich.

Um diesen Fehler zu vermeiden und das wahre Ziel zu erreichen, empfehlen wir eine Methode, die so mancher Meditierende ausprobiert und nützlich gefunden hat: Der Meditierende soll mit aufrechtem Körper sitzen, seine Augen schließen und dann den Geist auf die Körperhaltung richten. Er wird imstande sein, die Körperform schrittweise im Geist zu visualisieren. Während er das tut, soll er untersuchen, ob irgendwo Steifheit oder Angespanntheit auftritt auf Grund von übermäßiger Anstrengung. Vor allem muss er sich vergewissern, dass sein Nacken gerade und aufrecht ist, und zwar weil ein gebeugter Nacken den Atemprozess direkt beeinflusst. Zumindest sollte er sicherstellen, dass seine Augen nicht zu fest geschlossen sind. Der Meditierende soll das alles überprüfen.

Äußere Faktoren, die die Mediation begünstigen, sind eine natürliche, stille und friedvolle Umgebung, sauber und gut belüftet.

In Übereinstimmung mit der Lehre des Buddha können weitere Aspekte dieser Meditationsübung verstanden werden. Dazu erwägen wir die folgende Worte aus dem Saṭipaṭṭhāna sutta (Majjhima Nikāya 10) "[Er verweilt] eifrig, wissensklar und achtsam, nachdem er Habgier und Trauer gegenüber der Welt beseitigt hat." (Ātāpī sampajano satimā vineyya loke abijjhā domanassaṃ.")

 
Ātāpī hat die Bedeutung von "der den Eifer hat, welcher die Verunreinigungen (des Geistes) verbrennt". Der Meditierende muss sicher gehen, dass er die vier rechten Anstrengungen besitzt, die hierbei gemeint sind.1 Er soll danach streben, sie zu kultivieren und zu entfalten. Was es also in dieser Hinsicht zu erwähnen gilt, ist der Wert ungebrochener und beharrlicher Anstrengung.

Die Kraft der Meditation wird geringer, wenn die Anstrengung unregelmäßig ist, wenn sie nur in unregelmäßigen Schüben kommt. Der Meditierende soll darüber nachdenken und täglich meditieren, ohne die Regelmäßigkeit zu unterbrechen. Wenn er aus irgendeinem Grund unfähig ist, für die täglich festgelegten Zeiteinheiten zu meditieren, soll er sich bemühen, wenigstens einmal am Tag zu meditieren. Wenn widerliche Umstände das Einhalten gar einer einzigen Meditations-Sitzung verhindern, soll er zumindest eine kleine Weile lang seinen Geist auf das Meditations-Objekt ausrichten.

Einige, welche die oben beschriebene Methode der Anwendung von Anstrengung nicht kennen, fahren fort, einige Tage lang intensiv zu meditieren und damit zufrieden zu sein, meditieren an anderen Tagen aber überhaupt nicht. Das ist ein Rückschlag für die Entwicklung ihrer Meditation, wird sich auch auf andere Aspekte ihrer Praxis auswirken und ein Hindernis zur samādhi sein.2

 
Ātāpī ist das allererste Wort mit dem der Buddha den unerschütterlich und energetisch Meditierenden kennzeichnet. Anātāpī ist das Gegenteil davon. Derjenige, der die Qualität von ātāpa besitzt – Anstrengung, die die Verunreinigungen des Geistes verbrennt – der schreitet in seiner Praxis fort.

Ein anderer erwähnenswerter Punkt bezüglich Anstrengung ist, dass man sich nicht so weit anstrengen soll, dass der Geist aufgeregt wird. In solchen Fällen müssen wir im Einklang mit den Anweisungen des Buddha darauf achten, dass Anstrengung und Konzentration (samādhi) im Gleichgewicht sind.

Sampajāno beschreibt den untersuchenden Geist des Meditierenden. " Sampajāno" heißt "einer mit untersuchender Intelligenz". Es folgt eine Beschreibung in vier Aspekten, wobei die ersten beiden besonders förderlich sind für den geschmeidigen Fortschritt des Meditierenden.
 

1. Sātthaka sampajañña

2. Sappāya sampajañña

3. Gocara sampajañña

4. Asammoha sampajañña

 

Sātthaka sampajañña: Untersuchung des Zwecks Normalerweise kann sogar ein Anfänger fünfzehn oder zwanzig Minuten lang in einer Körperstellung meditieren ohne Schwierigkeiten wie körperlichen Schmerz zu erleben. Danach ist er – ob er nun Schmerzen hat oder nicht – geneigt, von seiner Meditation aufzustehen.

Die Meditation zu stoppen oder die Körperhaltung zu verändern, wenn so eine Neigung auftritt, ist ein großer Verlust für die Meditationspraxis. Die Entschlossenheit nimmt dadurch ab. Die Möglichkeiten einer solchen Situation klar im Voraus verstehend überlegt sich jemand den Zweck des Aufstehens, wenn ein entsprechender Impuls kommt. Das bedeutet also sātthaka sampajañña.

Wenn der Meditierende aus eigener Überlegung versteht, dass aufzustehen keinen Gewinn bringt, dann wird er die Gelegenheit haben, die Meditation für längere Zeiteinheiten fortzusetzen. Schrittweise wird die Kraft der Entschlossenheit zunehmen.

 

Sappāya sampajañña: Untersuchung der Begünstigung

Das bezieht sich auf die vorhin erwähnte Situation. Wenn der Meditierende das Aufstehen von der Meditation durch Untersuchung des Zwecks als einen Vorteil versteht, soll er nun untersuchen, ob es für seine Meditations- Praxis förderlich ist oder nicht (sappāya oder asappāya). Das nennt sich sappāya sampajañña. Wenn er versteht, dass aufzustehen für seine Meditations-Praxis nicht förderlich ist, muss er den Entschluss fassen, die Meditation fortzusetzen ohne von seinem Sitz aufzustehen. Es gibt Blicke, Klänge und Assoziationen, die für einen Meditierenden förderlich sind und solche, die es nicht sind. Obwohl es im Allgemeinen förderlich ist, einer Dhamma-Rede zu lauschen, sind nur solche Reden unsere Aufmerksamkeit wert, die eine Bedeutung für die Meditation haben. Diese Untersuchung ist die zweite Stufe.


Gocara sampajañña: Untersuchung der Anwendung


Dies meint den untersuchenden Geist, der sich ausschließlich mit den Objekten der Meditation befasst. Die vier Grundlagen [Körper, Empfindungen, Gemütszustand, Geistesobjekte] sind das Anwendungsgebiet der Achtsamkeit im Leben eines Meditierenden. Sie sind sein 'Weidegrund' (gocara) und seine Domäne.
 

Asammoha sampajañña: Untersuchung ohne Verblendung Ohne Verblendung bei den täglichen Routine-Aktivitäten sowie bei der Körperhaltung zu sein, heißt asammoha sampajañña. Z.B. wenn jemand beim Gehen "ich gehe" denkt und dabei ein Ich erschafft, dass nicht vorhanden ist, ist das Verblendung. Hingegen wenn jemand das Gehen als eine Funktion von Elementen (dhātu) sieht, statt eines gehenden "Ichs", dann wird der Geist von der Verblendung befreit. Auf diese Weise soll jemand den Geist trainieren und dabei alle Aktionen als Funktionen von Elementen verstehen. Das sind einleitende Schritte in Richtung eines besseren Verständnisses der Funktion von Elementen, welches mit dem Fortschritt der Meditation aufgeht.

Diese vier Aspekte untersuchenden Verstehens sind für das meditative Leben notwendig. Noch einige Dinge sollen erwähnt werden, die einen zu falscher Ansicht verleiten. Vor allem muss man jene identifizieren, welche der Ansicht sind, dass "dies Zeiten sind, in denen man nicht durch Meditation fortschreiten kann" und sich von ihnen fernhalten. Man muss die Dinge mit einem untersuchenden Geist angehen, der die Reinigung des Geistes fördert.


Ein satimā ist jemand, der die Fähigkeit hat zur Rechten Achtsamkeit. Diese muss ein Meditierender jederzeit kultivieren, entfalten und praktizieren. Achtsamkeit ist ein besonderer Geisteszustand, der förderlich ist für ein qualifiziertes innerliches Verhalten und mit dessen Entwicklung einhergeht. Indem alle großen und kleinen Handlungen achtsam vollzogen werden, wird die Qualität der Achtsamkeit tief im Geist verankert. Eine Anweisung, die es in dieser Hinsicht zu beherzigen gilt, ist dass um Achtsamkeit zu entwickeln man alle Handlungen langsam ausführen muss. Handlungen hastig auszuführen, ist nicht förderlich für ein meditatives Leben. Jede Handlung muss mit Fleiß ausgeführt werden. Dann wird sich Achtsamkeit entwickeln. Wenn Achtsamkeit gut entwickelt ist, wird Konzentration stabil sein. Mit so einer stabilen Konzentration, entfaltet sich Weisheit. Dies ist die Regel. Dafür ist Achtsamkeit eine Voraussetzung.


Ātāpī, sampajāno und satimā sind drei Qualitäten, die ein Meditierender zu erwerben und entfalten hat. Im selben Satz kommen zwei weitere Wörter vor, nämlich abhijjhā domanassaṃ, Gier und Traurigkeit, zwei ungute Geisteszustände, die verstanden und zur Seite gelegt werden müssen. Sie werden oft mit Unwissenheit und Täuschung assoziiert. Mit anderen Worten, diese zwei Begriffe umfassen die drei Hauptverunreinigungen: Anhaften, Unwille und Verblendung.

Die Einstellung des Meditierenden zu den Fesseln des Anhaftens und Widerstrebens sollen in diesem Zusammenhang die eines Richters sein, der unparteiisch und gerecht richtet ohne durch den Ankläger oder den Verteidiger eingenommen zu werden.

Die Vorbereitung

Indem der Meditierende sich vor Augen hält, was es zu erlangen und was es loszulassen gilt, soll er sich mit gekreuzten Beinen und aufrechtem Körper hinsetzen und die Vorbereitungen treffen. Entsprechend soll sein erster Schritt sein, den Geist auf die Körperstellung zu richten, wie vorhin erläutert. Nachdem die Körperstellung wahrgenommen wurde und der Körper sich auf diese Haltung eingestellt hat, richtet sich der Geist auf den Atemvorgang aus. Tut er es nicht, soll der Meditierende für eine kurze Zeit den Geist auf die edlen Eigenschaften des Buddha ausrichten und diese eine kurze Zeit lang betrachten, um den Geist weiterhin zu beruhigen. Mettā-bhāvanā (Liebende-Güte-Meditation) ist ebenfalls für diesen Zweck geeignet. Sind Körper und Geist so gezügelt, soll sich der Geist auf den natürlichen Ablauf der Ein-und Ausatmung ausrichten.


Der Einstieg

Wenn der Meditierende sich für die Praxis niedersetzt, soll er sich jene erforderlichen Qualitäten (ātāpi, sampajāno, satimā) ins Gedächtnis rufen, die Vorbereitung abschließen und die Meditation beginnen, indem er den Geist auf den Atemprozess richtet, den er schrittweise wahrnehmen wird.

Die Wahrnehmung der Berührung mit der Ein-und Ausatmung an der Nasenspitze ist für den beruhigten Geist deutlich und klar. Bis der Kontakt mit Atmung klar wird, soll man weiterhin die Körperhaltung betrachten. Danach soll man den Berührungspunkt mit dem Atem zur Kenntnis nehmen. Wenn der Meditierende das eine Zeit lang aufmerksam macht, wird er feststellen, dass die Berührung an einer Seite (entweder an der Spitze des rechten oder des linken Nasenflügels) der Kontakt deutlicher ist als an der anderen. Wenn er das beobachtet und detailliert zur Kenntnis genommen hat, soll er diesem Berührungs-Punkt seine Aufmerksamkeit widmen und beobachten, wie die Luft bei der Einatmung und bei der Ausatmung an diesem Punkt vorüberzieht. Er soll den Geist nur auf diesen einen Punkt ausgerichtet halten und so die Berührung durch Atmung verstehen. Den Punkt und die Seite der Berührung wahrzunehmen ist ein subtiler Prozess. Er hat eine sehr wichtige Funktion. Der Kontaktpunkt, der so begriffen wird, wird ānāpāna nimitta genannt (Zeichen der Ein- und Ausatmung). Der Meditierende wird die Wichtigkeit und den Wert dieses Zeichens für die nachfolgende Arbeit verstehen. Wenn er seine Achtsamkeit auf das so verstandene Zeichen richtet und die Ānāpānasati-Praxis entwickelt, wird dieses Zeichen immer klarer werden.

Der Geist soll auf den Berührungspunkt ausgerichtet bleiben. Wenn die Berührung der Einatmung stattfindet, soll dies als die Einatmung bewusst werden und wenn der Kontakt durch die Ausatmung stattfindet, soll dies als Ausatmung bewusst werden. Man soll das nicht in Worten aussprechen als "Einatmen" oder "Ausatmen". Wenn man das nämlich macht, wird die Konzentration unterbrochen.

An dieser Stelle ist es wichtig, einen Fehler hervorzuheben, den manche begehen. Anstatt den Geist auf den Berührungspunkt fokussiert zu halten, verfolgen sie den Weg des Atems. Den Atem von der Nasenspitze über den Hals und die Brust bis in die Magengegend zu verfolgen ist eine überflüssige Aktivität. Es ist ein Hindernis. Durch dieses Verfolgen des Atems geht die Einspitzigkeit des Geistes verloren. Manche andere wenden die Methode der Atemzählung an als eine Hilfe zur Achtsamkeit. Wenn jemand wiederholt von Eins bis Zehn zählen kann ohne Unterbrechung und ohne die Zahlen bei der Achtsamkeit auf den Atem durcheinander zu bringen, kann er diese Methode benutzen um einspitzige Konzentration zu erlangen. Dennoch mögen manche diese Methode anstrengend und als zusätzliche Arbeit empfinden. In diesem Fall muss es als ein Hindernis zur Atembetrachtung gesehen und losgelassen werden.

Die Konzentration auf den Berührungspunkt bei der Ein- und Ausatmung, bei welcher Einspitzigkeit zustande kommt, wird angedeutet im Vers "So satova assasati, sato passasati." ("Achtsam atmet er ein, achtsam atmet er aus").

Laut dem Visuddhi Magga erzählten die alten Meister in Bezug auf diese Meditation das Gleichnis von der Zähmung des wilden Bullen. Wenn jemand versucht, einen wilden Bullen zu zähmen, der im Wald gefangen wurde, wird er ihn zuerst an ein starkes Seil binden, welches mit einem fest im Boden verankerten Pfosten verbunden ist. Das gleicht der Befestigung des Geistes am Meditationsobjekt, welches mit gründlicher Achtsamkeit untersucht wurde. Achtsamkeit ist das Seil. Der zerstreute Geist wird mit dem Bullen verglichen. Wegen seiner wilden und ungezähmten Natur ist der Bulle am Anfang unruhig. Der Meditierende muss verstehen, dass der Geist am Anfang ebenso unruhig sein wird. Weil die Stärke des Pfostens und des Seils, die der geübte Tierbändiger eingesetzt hat, imstande sind, der Unruhe des Tieres zu widerstehen, legt sich der Bulle schlussendlich am Fuße des Pfostens nieder. Ebenso wird der Meditierende den graduellen Prozess der Zähmung des Geistes erfahren, wenn er den Geist wiederholt auf das Meditationsobjekt richtet ohne durch die anfängliche Unruhe des Geistes entmutigt zu werden.

Wenn der Geist so kontrolliert ist, wird der Meditierende mit diesem Fortschritt einen gewissen Grad an samādhi (Sammlung, Konzentration) bei der Ein-und Ausatmung erfahren. Schrittweise wird er imstande sein, die Länge der Ein-und Ausatmungen zu unterscheiden. Jetzt ist er also imstande, den ersten beiden Anweisungen der ānāpāna-sati bhāvanā zu folgen.


1) Dīghaṃ vā assasanto dīgham assasāmīti pajānāti; dīghaṃ vā passasanto dīghaṃ passasāmīti pajānāti.

Wenn er lang einatmet versteht er: "Ich atme lang ein";

oder wenn er lang ausatmet versteht er: "Ich atme lang aus."


2) Rassaṃ vā assasanto rassaṃ assasāmīti pajānāti; rassaṃ vā passasanto rassaṃ passasāmīti pajānāti.

Wenn er kurz einatmet versteht er: "Ich atme kurz ein";

oder wenn er kurz ausatmet versteht er: "Ich atme kurz aus."3
 

Das heißt nicht, man sollte zuerst lang und dann kurz einatmen. Das sucht man sich nicht aus. Vielmehr wird beobachtet, ob der gewöhnliche Atemzug beim Kommen und Gehen kurz oder lang ist. Mit Bezug auf den Kontakt kann der Atem in drei Kategorien eingeteilt werden: grob, fein und sehr fein. Auf der groben Stufe ist der Kontakt extrem klar und wahrnehmbar. Auf der feineren Stufe ist er nicht so leicht wahrnehmbar. Wenn er ganz fein ist, kann der Kontakt kaum wahrgenommen werden.

Manchmal steht der Meditierende, der diesen Aspekt nicht kennt, enttäuscht von seinem Sitz auf, wenn er den Atemkontakt nicht mehr wahrnehmen kann. Hier geschieht aber weder ein Aufhören des Atems noch ein Nachlassen in der Meditation, vielmehr ein Schwinden seiner Wahrnehmung wegen der Feinheit des Atems. In der Tat handelt es sich um ein recht fortgeschrittenes Stadium der Meditation. Der Meditierende, der das wahrnimmt, sollte fortfahren, sich auf den Berührungs-Punkt zu konzentrieren, obwohl er den Atem nicht wahrnimmt. Das ist ein Gelegenheit, bei der das Zeichen des Berührungspunktes von spezieller Bedeutung und Nützlichkeit ist. Deshalb muss der Meditierende den Wert erkennen, der darin liegt, das Zeichen zu verstehen. (Das ist der Grund, warum vorhin das Zeichen so sehr betont wurde.) Bleiben Sie bloß eine Weile in dieser Lage, und die Berührung mit dem Zeichen wird wieder kommen, als ob es ein Bausch weicher Wolle wäre. Stufenweise wird die Wahrnehmung wieder zur Normalität zurückkehren. Der Meditierende, der ānāpāna sati bis zu diesem Punkt verwirklicht hat, wird gelegentlich beginnen, nämlich dann wenn sein Geist gut gesammelt ist, eine Art Licht zu sehen in der Form kleiner Sterne. Am Anfang werden diese von Zeit zu Zeit kommen und gehen. Dennoch muss man weiterhin sich auf das Zeichen des Atems konzentrieren ohne seine Aufmerksamkeit auf das Licht zu richten. Auf diese Weise wird das Lichtzeichen (āloka nimitta) sich konsolidieren.
 

Dennoch sollte man nicht meditieren mit der Absicht, so ein Lichtzeichen zu erhalten oder zu beschleunigen. Während einige eine recht lange Zeit brauchen werden, um zu diesem Stadium zu gelangen, indem sie alle Hindernisse überwinden, erreichen andere mit größerem Verdienst und vergangener Praxis solche Resultate rasch.

 

 

1 Die Rechte Anstrengung (sammā-vayāma) unterteilt sich in vier Bemühungen (padhāna): Unheilsames zu vermeinden; Unheilsames zu überwinden; Heilsames zu fördern; Heilsames zu erhalten. [Anm. d. Übers.]
 

2 Samādhi ist ein Geisteszustand bei dem der Geist gesammelt ist, konzentriert und frei von den fünf Hindernissen (Sinnenlust, Unwille, Aufgeregtheit und Gewissensunruhe, Trägheit, Zweifel).

 

3 Aus: Majjhimā Nikāya 10.4, Übers. Mettiko Bhikkhu (Kay Zumwinkel)

 

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