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Religiöses Leben in einer säkularisierten Gesellschaft

von Tissa Weeraratna

 

Sie befinden sich hier in einem buddhistischen Tempel, welcher von dem in Deutschland geborenen Dr. Paul Dahlke in den Jahren 1924 bis 1928 erbaut wurde und der erste buddhistische Tempel in Europa war. Mein Onkel, Asoka Weeraratna, kaufte diesen Tempel von den Erben Dr. Dahlkes in den 1950-ern. Seit dieser Zeit betreibt die „German Dharmaduta Society" aus Colombo, Sri Lanka, diesen Tempel als nationales Erbe. Er ist auch ein einmaliges Denkmal für das Wachsen buddhistischer und kultureller Bande zwischen Sri Lanka und Deutschland. Dr. Dahlke, mein Onkel und die buddhistischen Mönche hier geben die Lehre Buddhas, das Dhamma, weiter.

Der Zweck von Dhamma und von Religionen sollte der gleiche sein: schlechte Eigenschaften abzulegen und gute zu kultivieren. Die Frage ist, inwieweit dies umgesetzt wird? Seit Menschengedenken beruhten Religionen auf Glauben. Sie schufen viel Positives, daneben aber auch viel Unglück, weil eigene Interessen und Ansichten durchgesetzt werden sollten. Und auch heute noch werden Menschen wegen unterschiedlicher religiöser sowie weltanschaulicher Ansichten und wegen wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen verfolgt und getötet.

Buddha suchte die Ursachen des Leids und Unglücks in dieser Welt und fand, ähnlich einem Psychoanalytiker, die Wurzeln innerhalb unseres Geistes. Nach seiner Erkenntnis liegt das Heilmittel, die Lösung des Problems, in der Beseitigung von Unwissenheit und in der Überwindung negativer Eigenschaften, wie Gier und Hass. Sokrates, Jesus, Gandhi, Martin Luther King und Abraham Lincoln und viele andere sind getöteten worden! Warum? Wegen Unwissenheit, Hass und Gier. Wir müssen unseren gesunden Menschenverstand benutzen, die Grundursachen hierfür ausfindig zu machen.

Wenn wir unseren Geist richtig kennenlernen wollen, müssen wir „durch den Körper gehen". Die Lehre des Sakkhapadam weist einen Weg, wie durch Achtsamkeit, Dhamma, Körper und Geist beobachtend, die Ursachen für negatives Verhalten erkannt und überwunden und positive Eigenschaften kultiviert werden können.. Das Satipatthana, die Achtsamkeit auf das Funktionieren von Körper und Geist, ist der einzige Weg zum Nibbana oder auch Nirwana.

 

Bedeutung von Dhamma

Buddha sagt, diese Achtsamkeit, das Dhamma, kann von ALLEN Menschen praktiziert werden und hilft, frei zu werden von Vorurteilen und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind; das Dhamma, die ultimative Wahrheit der Dinge, ist zeitlos und für jeden erfahrbar; der Ort, an dem es wahrgenommen werden kann, liegt in uns selbst. Die allerletzte Wahrheit, das Dhamma, ist nichts Mystisches oder weit Entferntes, es ist die Wahrheit unserer eigenen Erfahrung.

Um diese Wahrheit eine befreiende Wahrheit werden zu lassen, muss sie direkt von jedem selbst erfahren und erkannt werden; sie lässt sicht nicht durch Glauben, durch das Wissen aus Büchern und von Lehrern oder durch logische Folgerungen und Argumentationen erwerben.

Die letzte Wahrheit, das Dhamma, muss durch Innenschau (Meditation, Praxis) erkannt, erfasst und aufgenommen werden als ein Wissen, welches ein unmittelbares Erkennen ist.

Das, was diese Erfahrung für die Innenschau zugänglich macht, ist die geistige Fähigkeit der Achtsamkeit, der Präsenz des Geistes, der Aufmerksamkeit, des Gewahrseins. Doch diese Art des Gewahrseins, bewusster Achtsamkeit, unterscheidet sich grundlegend von der Art des Gewahrseins während der Arbeit in unserem üblichen Modus des Bewusstseins; denn alles Bewusstsein beinhaltet Gewahrsein im Sinne von Kennen oder Erfahren eines Objekts.
Mit dem Praktizieren von Achtsamkeit wird das Gewahrsein auf einen anderen speziellen Bereich eingestellt: Der Geist verweilt bewusst auf der Ebene der bloßen Aufmerksamkeit, einer Beobachtung dessen, was in uns und um uns herum im gegenwärtigen Moment geschieht.

In der Praxis der rechten Achtsamkeit trainiert der Geist, in der Gegenwart zu bleiben, offen, still das gegenwärtig Sich-Ereignende beobachtend. Während dieser Übung sollten alle Urteile und Interpretationen unterbleiben, und wenn sie doch auftreten, darf ihnen nicht weiter nachgegangen werden.

Was immer auch geschieht, ist einfach zur Kenntnis zu nehmen, gleichsam auf den Veränderungen des Wahrgenommenen reitend, gleich einem Surfer auf einer Welle. Der Prozess der meditativen Übung ist ein Weg des Zurückkommens in den gegenwärtigen Augenblick, ein Stehen im Hier und Jetzt, ohne abzugleiten, ohne weggefegt zu werden von den Gezeiten ablenkender Gedanken.

 

Tissa Weeraratna

 

Vortrag anlässlich eines Besuches der Friedrich-Ebert-Stiftung im Buddhistischen Haus am 22.08.2008.

Ich habe der Friedrich Ebert Stiftung vorgeschlagen, durch eine Studiengruppe zu untersuchen, inwieweit Vorurteile die Wurzeln für Kriege und viele andere Übel sind.

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